Mütter wie Monumente: Eszter Salamon, Monument 0.7 M/OTHERS
Zwei Körper bewegen sich langsam und andächtig, sie bewegen sich zueinander und wieder voneinander weg. Jede Bewegung ist fluide. Die Momente der Monumentalität, wenn der Atem fast stockt und die Spannung am größten ist, entfliehen durch deren Auflösung. Doch bereitet sich schon die nächste Haltung vor, zwischen sakraler Symbolik – habe ich da gerade eine Caritas entdeckt? – und profanen Skulpturen, das Spiel mit dem Spielbein, die Drehung der Serpentinen, drehen, wenden, durcheinander gleiten, durchgleiten, entgleiten, zueinander, voneinander. Geburt. Bewegung aufnehmen und abgeben, annehmen und ablehnen. Nein, ich entferne mich, doch lässt du mich nicht los und ich dich auch nicht. Vergangenheit und Gegenwart sind miteinander verbunden, ohne sie keine Zukunft. Erst gemeinsam ergeben sie die Komposition, erst im Nachhinein wird sie als solche Erkennbar. Im Hier und Jetzt sind wir, das Miteinanderwirken.
Die Performerinnen sind zugleich Bilderhauerin und Schöpfung.
Sie formen und schöpfen
Gleiten zueinander, weichen voneinander
Die Jüngere summt ein Lied, und wiederholt es später
Holt es später wieder.
Die Mutter. Die Andere. Sie ist kein Mensch mehr, nun ist sie Mutter. Was muss eine Mutter? Wie ist eine Mutter? Was hat eine Mutter zu sein? Ist Mutter Mensch oder Maschine? Wenn die Tochter Mutter wird, hat man als Mutter ausgedient? Oder bleibt man doch die Mutter der Mutter?
Langsames Streifen des Bodens.Man kann hören, wie die Handfläche den Teppich aufraut, die Textur verändert, Spuren hinterlässt. Auf dem schneeweißen Teppich. Eine Mutter hinterlässt einen Eindruck auf die Andere.
Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die beiden Frauen ähneln, die Füße passen zueinander, wenn sie ineinandergreifen, die Haare haben die gleiche Textur. Die Blicke sind selbstbewusst, aber doch neugierig und ungewiss, ein Suchen durch den Raum, bevor der Kopf wieder sinkt. Es sind Gratwanderungen zwischen Komik und Ernst. Auch ein Monument kann flexibel sein, wandelbar, auch komisch, wenn es passt.
Langsame Bewegungen scheinen nicht gemacht für alle Besucherinnen und Besucher, nach einiger Zeit verlassen die ersten den Saal. Jede Bewegung ist zu hören, und das Aufstehen und Fortgehen der Ungeduldigen wirkt wie ein Affront, eine Gotteslästerung fast. Doch diese Assoziation scheint durch das sakrale Ambiente in der ehemaligen Kirche zu kommen.
Eszter Salamon Monument 0.7: M/OTHERS, Foto: Alain Roux, Courtesy Eszter Salamon
Eszter Salamon Monument 0.7: M/OTHERS, Foto: Alain Roux, Courtesy Eszter Salamon
Eszter Salamon Monument 0.7: M/OTHERS, Foto: Alain Roux, Courtesy Eszter Salamon
Eszter Salamon Monument 0.7: M/OTHERS, Foto: Alain Roux, Courtesy Eszter Salamon
Tanz im August
11. August 2019
St.-Elisabeth-Kirche, Berlin
Eszter Salamon Monument 0.7: M/OTHERS
Performerinnen: Eszter Salamon und Erzsébet Gyarmati